Luppenau

         Feuerwehrcamp 2014 in Burgliebenau

SAALE-ELSTER-AUEN-KURIER - September 2014
Autor: Ilja Bakkal

In der Nacht zum Sonntag verlor der Himmel, der in den letzten Tagen wechselhaft und misslaunig war,  endgültig die Contenance. Er nieselte, regnete, goss. Das mag ja für die Kinder in den Zelten zunächst  romantisch sein, wenn die Tropfen auf die Leinwand trommeln, bis sie ihren Weg durch das Gewebe finden, da hört der Spaß auf. Sonntags wird abgebaut. Räder malträtierten die Wiese und die Abschlussveranstaltung wäre beinahe ins große Festzelt verlegt worden. Bei der Vergabe der Urkunden und Medaillen wird bewusst, was  sich seit Freitag sportlich  ereignet hat: Schlauchbootrennen, Zweifelderball. Luppenau freute sich über Platz 2 im Volleyballturnier.


Die Burgfräulein aus Luppenau

Es ist eine Herausforderung, dieses Camp  für 120 Kinder aus 10 Wehren zu organisieren. Sicher gestaltete sich die Lage etwas entspannter als im letzten Jahr, weil die verantwortliche Jugendwartin, Andrea Hermann, wieder einsatzfähig war.  Immerhin blickt man auf eine 10-jährige Tradition zurück, die mit dem „Freundschaftszeltlager Saale-Elster-Aue“ für 40 Teilnehmer begann.

Dieses Jahr stand unter dem Motto Mittelalter, und so wurde Neptun für den legendären Taufakt durch einen passenden Repräsentanten dieser Epoche ersetzt. Da nur ein Motorboot für begrenzte Zeit zugelassen war, hätte der Herr über die Gewässer ohnehin Probleme mit der Anreise gehabt. Ich nehme die Verärgerung vieler mit der Durchführung betrauter Kameraden von Feuerwehr und DLRG zur Kenntnis, dass weder Neptun noch der Bürgermeister, sondern eine andere Behörde dem eigentlichen Highlight - Aktivitäten auf dem See - immer restriktivere Grenzen setzt. An der Abfahrtstelle des Bootes der Wasserwehr bildeten sich Schlangen von Kindern in Schwimmwesten. Das Fahrzeug des DLRG dümpelte traurig einige Meter vom Strand entfernt und diente der Aufsicht. Die Landesgruppe des DLRG hatte spektakuläre Spielgeräte zur Verfügung gestellt. Zwei  durchsichtige Laufkugeln boten gleichermaßen sportliche Herausforderung und Vergnügen für die am Strand Zurückgebliebenen. Die kleinere der Kugeln wurde mitsamt Passagier aufgeblasen, dessen Geschick für Navigation und Geschwindigkeit ausschlaggebend war. Wie lange kann ein Mensch in der Kapsel überleben? Problemlos fünf Minuten. Spätestens wenn sie von innen beschlägt und der Posten am Seil keine aktiven Bewegungen mehr feststellt, sollte zurückgezogen  und durch Öffnen des Reisverschlusses für Sauerstoffzufuhr gesorgt werden.

In der Kapsel der DLRG

Bewegung an frischer Luft macht hungrig. Für den Sonnabend hatte die Raßnitzer Feuerwehr in ihrer Gulaschkanone 200 Portionen Nudeln mit Tomatensauce gekocht. Die schmeckten so lecker, dass es angemessen scheint, nach der Zubereitung zu fragen. „Das schreibst du aber nicht in die Zeitung!“ bestimmte Kanonen-Chef Hans-Dieter Jöstel. Warum nicht, da sind doch die besten Zutaten drin. Das zweifellos, aber wahrscheinlich würden die meisten Kinder das Essen verweigern, wenn sie wüssten, dass neben Schinken, Jagdwurst und Tomaten auch Speck, Zwiebeln und Sellerie hineingeschnippelt wurden, mit Fleiß und Liebe seit halb acht in der Frühe. Das sehe ich nicht so kritisch, denn bis zum Erscheinen des Kuriers sollte alles verdaut sein. Vielleicht bleibt die Erkenntnis, dass das Messer beim Kochen eher für Qualität spricht als der Büchsenöffner. 

Nachmittags begeisterte das Zweifelderballspiel der Betreuermannschaft das Publikum. Inzwischen war eine Drehleiter herangefahren worden, von der wei ßer Schaum herunterfiel. Bisher hatte ich über horizontale Methoden  des Partyschaumerzeugung berichtet.  Die vertikale Variante kommt ohne Geknatter und Benzingeruch aus. Auch bietet die Veränderung des Neigungswinkels der Leiter Möglichkeiten der Regulierung. Was nach großem Vergnügen aussieht, stellt eine sehr effektive Methode der Massenhygiene dar.
 


Vor dem Ritterschlag
Bei Einbruch der Dämmerung näherte sich ein großer Ritter mit seinem Knappen zu Pferde den Wartenden. Viele waren mit Schilden und Schwertern ausgestattet. Einige Mädchen hatten sich mit spitzen Burgunderhauben auf eine modische Zeitreise ins Mittelalter begeben. Je näher man einem Pferd kommt, desto respekteinflößender wird es. Die Mitglieder des Reitvereins Aue eV aus Wallendorf sehen das sicher nicht so. Mit liebevoller Geste berührte das Schwert Jungen und Mädchen, die zu Rittern und Burgfräulein „geschlagen“ wurden. Mühseliges Einfangen und der schreckliche Neptuntrunk entfielen. Die Namen ähnelten sich.

Als das letzte Tageslicht verblasste, bereiteten die Kinder sich auf die Nachtwanderung vor. Instruktionen, Taschenlampen, wer nimmt wen an die Hand? Hier, wo eine prähistorische Besiedlung  nachgewiesen wurde, sich die Reste eines slawischen Burgwalls ganz in der Nähe befinden und der Spuk von einer versunkenen Burg als Sage aufgeschrieben ist, könnten durchaus unvorhersehbare Begegnungen passieren. Kann man denn sicher sein, dass  der Burgherr hoch zu Ross wirklich nur aller sieben Jahre in der Johannisnacht, für genau eine Stunde mit Gefolge durch seine Besitztümer streift?

Schnatternd zog die kleine Schar  in den Wald. Gemeinsam sind wir tapfer. Und vom richtigen Gruseln verstehen viele auch nichts mehr. Da ist es wie mit Sauce, die  aus einer Konserve kommt. Plötzlich raschelte und knackte es am Wegesrand. Huch! Mehr aber nicht. Etwas später wurden die Geräusche aufdringlicher, ein blechernes Scheppern mischte sich dazwischen, vielleicht doch keine Gespenster aber Räuber? Wie dem auch sei, alle kamen unbeschadet zurück.

Furcht ist die Basis für Heldenmut. So ließ ich mich zurückfallen, drückte  mit einer Hand die Kamera ans Auge, mit der anderen richtete ich den Strahl der Lampe ins Unterholz und rief: „Zeigt euch,  ihr Gespenster!“ Noch einmal, dann kamen sie, ganz erschrocken und vorsichtig, blieben aber etwas in Deckung. Die zweite Stelle, unweit eines Hochsitzes erschien unauffällig. Auf Rufen reagierte niemand. Ich ging vom Wege ab, Brennnesseln traktierten meine Beine. (Nie wieder nachts mit Sandalen und kurzen Hosen ins Gebüsch!) Nichts – niemand. Habe ich mich geirrt, verlaufen? Das mag ich überhaupt nicht. Allein, orientierungslos im Wald. Der letzte Wanderer,  der sich in dieser Gegend verlaufen hatte, wurde von den  versunkenen Burgbewohnern, nachdem er sie nicht zu retten vermochte, für  sieben Jahre kassiert. Ich könnte die Aufgaben sowieso  nicht erfüllen: Die Rabensprache verstehen, einen Speer durch einen Ring werfen, und ein riesiges Trinkhorn in einem Zug leeren. Auch  ist nicht überliefert, um welches Getränk es sich handelt. Schauderhaft. Die Kinder waren endgültig weg. Es schepperte, von oben! Da saß einer auf dem Hochsitz, mit einem Blecheimer am Strick.  Plötzlich wurde ich von  vier gefährlich aussehenden, teilweise vermummten Kerlen umzingelt. Nach dem Gruppenfoto begleiten sie mich ins Lager. Wir sind uns einig: Das Gespensterwesen bedarf dringend einer Verbesserung. Personen, die nichts mehr fürchten, als dass ihren Schützlingen, die teilweise schon den Schlafanzug drunter anhaben, ein Missgeschick passieren könnte, sind für diese Aufgabe nicht geeignet.

Was braucht ein Feuerwehrmann? Wasser! Was noch? Ein Feuerwehrauto! Aber worum geht es überhaupt?


Knappen vor der Burg

Keine Antwort. Na, Feuer!! Wollt ihr es sehen? Nach wenigen  Sekunden hatten Ron und Diana von den dragonheart-fireartists ihre Zuschauer  gefesselt. Sie heizten mit akrobatischen  Darbietungen an und zeigten, dass man zum Feuer ein anderes Verhältnis haben kann, als die vor ihnen sitzenden Kameraden. Feuer lässt sich zu einer Kunstform erheben. Ron schluckte die Flammen, spie sie wieder aus und ließ, ganz nach Drachenart, Feuerwolken aufsteigen. Mit Diana wirbelte er Flammenmuster an Ketten und Stangen durch die Luft.

 Aus dem Publikum wurden Freiwillige geworben. Besonders aufregend war die Übung im Feuerschlucken für den Wehrleiter aus Ermlitz. Damit hätte er in die Geschichte des Brandabschnittes 4 eingehen können. Ron  demonstrierte es: Ging auf die Knie, beugte den Oberkörper nach hinten, das Gesicht parallel zur Wolkendecke, führte  die Fackel in den Mund, das Feuer erlosch. Im nächsten Moment schoss es hervor und die Fackel brannte wieder. Stefan Geißler verzichtet auf die anstrengende Körperhaltung. Die Fackel näherte sich dem Gesicht. Er kennt den Geruch, spürte die Erwartung von 160 Augenpaaren und einer Kamera. Die Nasenspitze wurde heiß… Zur Entschädigung durfte er zusammen  mit einem Kameraden als Untermann Ron kerzengerade mit den Beinen nach oben stemmen. Diana als professionelle Oberfrau  blieb lieber auf dem Rasen. (Am Rande: Die Rechtschreibprüfung akzeptiert Untermann aber nicht Oberfrau. Beides bezeichnet Qualifikationen der Artisten.) Die Drachen löschten ihr Arbeitsmittel unspektakulär mit einer Decke. Eigentlich wäre Schluss. Wer derart begeistert, muss mit Nachhall rechnen. Und so wurde noch eine Weile Rad geschlagen, Handstand geübt, und junge Talente ermutigt.
Die Kleinen mussten jetzt in die Zelte, wir erinnern uns, Schlafanzüge schon drunter …

Ramona Karnstedt hat ihre 17 Kinder und Jugendlichen mit leichten Nässeschäden durch die Nacht gebracht. Franziska, Christian, Robert und Armin standen ihr zur Seite. Sie bedankt sich aber besonders für die Mitarbeit der Kameraden, die den Auf- und Abbau erledigt haben und sich noch weiterhin um die durchfeuchteten Zelte kümmern werden.

Wenn Sie mehr über den Burgwall und die Sage lesen möchten: Axel Voigt: Die slawischen Ring- und Burgwallanlagen der Saale-Elster-Luppe-Aue…  Augenblicke Bd. 2 s. 151 ff
Die Bilder zu diesem Beitrag finden Sie: www.luppenau.de

Ilja Bakka